Cybersettle das „automatische“ Schiedsgericht

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Das Schiedsgericht Cybersettle ist eine weitgehend automatisierte Online-Streitbeilegungsmethode. Mit Hilfe eines mehrstufigen, verdeckten Bietverfahren wird versucht, eine Einigung über die Höhe der streitgegenständlichen Kompensationszahlung zu erzielen.
(English Version)

Rechtsform: Inc.
ISIN:  n/a
Gründungsjahr: 1996
Sitz: Stamford
Area served: USA, Kanada
Gründer: Charles Brofman,James Burchetta
Schlüsselpersonen: Bob Ballou President & CEO
Jeff Swartz
Chief Commercial Officer
Allan M. Glick
Senior Vice President
Mitarbeiter:  (2008) n/a
Umsatz:  (2008) n/a
Branche:  Rechtsdiensleistung
Website: http://cybersettle.com

1. Entstehungsgeschichte

Die Rechtsanwälte Charles Brofman und James Burchetta stießen 1995 auf das hinter Cybersettle stehende Prinzip, als sie versuchten, sich im Rahmen einer Versicherungsklage zu einigen. Während den außergerichtlichen Verhandlungen lagen beide mit ihren Vorstellungen zu weit auseinander, als dass ein Vergleich hätte geschlossen werden könnte.

Beide Parteien waren sich bewußt, dass es nur eine Frage der Höhe des Geldbetrages war, jedoch wollte keiner durch Abgabe eines neuen Gebotes von seiner strategischen Position abweichen. Somit wurde das Verfahren bei Gericht anhängig gemacht.

Vor Gericht versuchten die beiden Rechtsanwälte einen anderen Ansatz. Sie einigten sich, im Geheimen ihre jeweilige „Schmerzgrenze“ aufzuschreiben und dies dann dem Richter zu übergeben. Dieser sollte sich beide Angebote anschauen und wenn diese Anbebote nur wenige tausend Dollar auseinanderlagen, signalisieren, dass eine Einigung möglich ist. Falls eine solche Einigung nicht erkennbar wäre, sollte er über die Angebote Stillschweigen bewahren.

Beide Angebote lagen jedoch nur ca. 1.000 $ auseinander. Daher teilten die Kontrahenten die Differenz untereinander gleichmäßig auf und hatten den Fall somit in Minuten gelöst.[ref]„Cybersettle Makes The Case For Resolving Disputes Online“ Diane J. Levin, on Mediate.com aufgerufen am 04.08.2013.[/ref]

Aus diesem Feldversuch entwickelten beide Anwälte dann Cybersettle.

Im Jahre 1998  wurde dann ein mittlerweile ausgefeilteres Verfahren „Computerized Dispute Resolution System and Method“ als Patent unter der Nummer 6,330,551 patentiert.[ref]“Schutzfähigkeit von Online Dispute Resolution-Verfahren — Fallbeispiel Cybersettle“ von Lisa Hofmeister und David E.F. Slopek in ZKM 2013, 28 (29).[/ref]

 Während seines Bestehens hat Cybersettle mehr als 200.000 – 250.000 Einigungen vermitteln können. [ref]„Cybersettle Makes The Case For Resolving Disputes Online“ Diane J. Levin, in Mediate.com aufgerufen am 04.08.2013 und „Schutzfähigkeit von Online Dispute Resolution-Verfahren — Fallbeispiel Cybersettle“ von Lisa Hofmeister und David E.F. Slopek in ZKM 2013, 28 (29).[/ref]

Überwiegend Versicherungen aber auch der Staat New York nutzen Cybersettle als Schiedstelle für die Beilegung von Streitigkeiten.[ref]„Cybersettle & The NYC Goverment“, Jeff Thompson in Mediate.com aufgerufen am 04.08.2013.[/ref]

Insbesondere die Geschwindigkeit machte das Verfahren sehr attraktiv. So war die durchschnittliche Dauer zwischen 6- 12 Monaten[ref]„Cybersettle & The NYC Goverment“, Jeff Thompson in Mediate.com aufgerufen am 04.08.2013.[/ref] und bei Streitfällen mit dem Staat New York[ref]„New York City Comptroller’s Office Launches Cybersettle to Resolve Claims and Lawsuits“ in Government Technology, aufgerufen a,m 21.08.2013.[/ref] lag die Einigungsdauer bei 66% der Fälle sogar unter 30 Tagen.[ref]„Cybersettle Makes The Case For Resolving Disputes Online“ Diane J. Levin, on Mediate.com aufgerufen am 04.08.2013.[/ref]

2. Dienstleistungsangebot

cybersettleDas Prinzip von Cybersettle ist ein verdecktes Online-Bietverfahren mit jeweils 3 Geboten. Bei jeder Runde vergleicht das Programm automatisch, ob sich die jeweiligen Angebote bis auf einen bestimmten Differenzbetrag hinreichend angenähert haben. Ist dies der Fall, gilt eine Einigung als erzielt.  Die Differenz, um die die Parteien noch auseinander liegen, wird als angemessener Ausgleich hälftig auf den Anspruch zugeschlagen.

Zu diesem Hauptverfahren bestehen optional noch unterstützende Maßnahmen, wie z.B. eine Telefonmediation, für den Fall, dass die Parteien sich ohne weiteres nicht einigen konnten.

Eine illustrative Übersicht über das Verfahren hat Sung Choi hier online gestellt:

 2.1 Vorteile

Das automatisierte Verfahren hat folgende Vorteile:

  • schnell,
  • jederzeit verfügbar,
  • unbürokratisch,
  • kostengünstig und
  • die Neutralität des Entscheiders ist gesichert.

2.2 Nachteile

Folgende Nachteile können sich ergeben:

  • Das System entscheidet nicht über das Bestehen, sondern nur über die Höhe eines streitigen Anspruches.
  • Der Laie hat strategische Nachteile. Der institutionelle Streitgegner kann versuchen, im Rahmen von Cybersettle erst einmal diejenigen abzufischen, welche aufgrund von Unkenntnis viel zu niedrige Ansprüche geltend machen.
  • Darüber hinaus kann der erfahrene Prozessgegner versuchen, den Vergleich für sich selbst vorteilhaft zu triggern, indem er so nah an erwartete Werte bietet, dass der Schiedsmechanismus noch auslöst, aber der Differenzbetrag zumindest hälftig ihm selbst zugute kommt. Aufgrund seiner Erfahrung hat er hier den besseren Überblick und die besseren Strategien, kennt evtl. psychologische Werte oder orientiert sich an Referenzwerten (z.B. „Schwacke“-Liste).

 

3. Auszeichnungen/ Patente

US06330551-20011211-D000032005 Business Week „Top 50 Web Applikations of the Year“[ref]„Cybersettle & The NYC Goverment“, Jeff Thompson in Mediate.com aufgerufen am 04.08.2013[/ref]

2007 Mediate „Most innovative Use of Technology in New York City“[ref]„Cybersettle & The NYC Goverment“, Jeff Thompson in Mediate.com aufgerufen am 04.08.2013[/ref]

Cybersettle hält darüber hinaus eine Vielzahl an Patenten. Eine vollständige Liste finden Sie hier.  Das bekannteste ist nach wie vor Patent Nr. 6,330,551 „Computerized Dispute Resolution System and Method“. Aus dem Blickwinkel des deutschen Patentrechts ist die Schutzfähigkeit der Idee des speziellen Bietverfahrens nur beschränkt nachvollziehbar.

Umso weniger verwundert dann die schon kleinlich anmutende Argumentation der Parteien in dem von Cybersettle angestrengten Verfahren gegen das National Arbitration Forum, Inc. (NAC).[ref]Cybersettle, Inc. vs. National Arbitration Forum, Inc. 243 Fed. App’x 603, 606 (Fed. Cir 2007).[/ref]

Dem ist voranzustellen, dass bereits 1992 Brams und Merril in dem Aufsatz „Arbitration Procedures with the Possibility of Compromise“ das hinter der Idee stehende Prinzip schon beschrieben hatten.[ref]“Schutzfähigkeit von Online Dispute Resolution-Verfahren — Fallbeispiel Cybersettle“ von Lisa Hofmeister und David E.F. Slopek in ZKM 2013, 28 (29).[/ref] Nur durch die Erweiterung des Anspruch 27 durch den Zusatz „at least two rounds“ war  die Schutzfähigkeit gegeben, weil nunmehr das schon durch Brams und Merril beschriebene Prinzip durch mehrfache Verhandlungsrunden ergänzt wurde.

4. Ausblick

PayMDLaut eigener Website bietet Cybersettle dieses Verfahren noch an, aber eine konkrete Anmeldung eines Streitfalles war bei einem Besuch der Website dieser Tage nicht möglich. Auch auf eine Anfrage hin, wollte sich das Unternehmen nicht hierzu äußern. Daher spricht vieles dafür, dass das Unternehmen sich neu zu positionieren will und verstärkt das Geschäftsfeld des Payment-Service und Fakurierung von Gesundheitsdienstleistungen einsteigen.

Der Gründer Charles Brofman hingegen hat 2008 das Unternehmen verlassen. Er ist immer noch überzeugt von der großen Zukunft von ODR und hat daher ein Nachfolgeprojekt DebtResolve gegründet. Dieses Unternehmen bietet ein ähnliches Leistungsangebot an, nunmehr steht dieses Angebot explizit auch für allgemeine Ansprüche offen.

5. Weblinks zu cybersettle

„Expert Analysis of Cybersettle“ Jeffrey Krivis, CIO Magazine, March 2000 in firstmediation.com.

 

4 Kommentare
  1. qlaxbpuo sagte:

    Durch Zufall drüber gestolpert, hätte mir bei meiner Magisterarbeit sicherlich weitergeholfen. Ansonsten guter Text!

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